Entnazifizierung in Österreich
von Andreas Schuster
14. November 2024
Gemeinsam mit mir beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler der 8a im Geschichteunterricht mit dem Thema Entnazifizierung in Österreich. Wir betrachteten die Maßnahmen und Gesetze am Beginn der Zweiten Republik und die Schülerinnen und Schüler stellten fest, dass zunächst mit voller Härte gegen ehemalige Nationalsozialisten vorgegangen wurde. Diese Härte wich aber bald dem Versuch der Reintegration der ehemaligen Nationalsozialisten in die österreichische Gesellschaft und spätestens mit den Amnestiegesetzen und dem Abzug der Alliierten verschwand die Entnazifizierung aus dem öffentlichen Diskurs.
Die Klasse stellte sich die Frage, wo ein antifaschistischer Diskurs im Laufe der Geschichte der Zweiten Republik wieder festzustellen ist. Zunächst fanden wir diesen rund um die Waldheim-Affäre und danach bei der international beachteten Rede von Bundeskanzler Vranitzky vor dem Nationalrat (1991), als dieser die Mitschuld Österreichs eingestand.
Weiters beschäftigten wir uns mit dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus (1995) und dem Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus (2001) sowie der Kunstrestitution. - Natürlich wurde hierzu die Frage aufgeworfen, warum man so lange brauchte, um diese Fonds einzurichten?
Das Thema Kunstrestitution wurde auch anhand des Films "Die Frau in Gold" rund um die Restitution des Bildnis Adele Bloch-Bauer I von Gustav Klimt thematisiert.
Schließlich war die Klasse dazu angehalten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Auswirkungen der lasche Umgang mit der Entnazifizierung damals, auf den Antisemitismus heute im
Jahr 2024 haben könnte. Zusammenhänge konnten festgehalten werden.
(Bildquelle: Karikatur “In Nürnberg und anderswo – Er hat’s mir doch befohlen!” der ehemaligen Tageszeitung “Neues Österreich”. Quelle: Neues Österreich, 20. Juli 1946)
Was hat die Shoah mit mir zu tun?
von Andreas Schuster
04. September 2024
Hannah Arendt formulierte in ihrem (1951 in New York und 1955 dann in deutscher Fassung erschienenen) Buch 'Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft' hinsichtlich Holocaust/Shoah drei zentrale Fragen:
Was war geschehen? Warum war es geschehen? Wie konnte es geschehen?
Während wir noch immer um Antworten ringen, gilt es im Heute eine vierte Frage hinzuzufügen:
Was hat die Shoah mit mir zu tun?
- von Susanne Casanova-Mürkl
Exkursion Gedenkstätte Mauthausen
von Andreas Schuster
04. September 2024
Es ist ein heißer Tag. Wir (drei Geschichte Lehrer:innen des BG/BRG Neunkirchen) besuchen mit unseren Klassen die Gedenkstätte Mauthausen.
Wir haben im Unterricht dazu gearbeitet. Trotzdem stellt sich für mich die Frage, wie die Schüler:innen auf diesen Ort, über den man schon so oft im Unterricht gehört hat und den man in Schwarz-Weiß-Dokumentationen gesehen hat, reagieren.
Wir haben einen großartigen Guide. Sie bringt uns zu den verschiedenen Denkmälern, zeigt uns die Todesstiege und den Steinbruch von der Ferne. Dann kommen wir ins Innere des ehemaligen Lagers und sehen die Baracken, steigen hinunter in den Keller...
Stille - bei der Heimfahrt ist es ruhig im Bus. Das Gesehene muss verarbeitet werden.
Ich stelle den Schüler:innen im Unterricht dann in der Reflexion die Fragen, was sie besonders berührt hat, und ob sie denken, dass es wichtig ist, dass Schüler:innen die Gedenkstätte Mauthausen besuchen. Die Antworten sind hier in unserem Memorial nachzulesen.
Vorweg: Die Antwort aller Schüler:innen meiner Klasse war JA!
Erinnern und darüber sprechen - Lehrausgang/Jüdischer Friedhof
von Andreas Schuster
16. März 2024
Anfang März organisierte ich für meine beiden Geschichte-Klassen 7a und 4c einen Lehrausgang zum jüdischen Friedhof in Neunkirchen. Der Neunkirchner Stadthistoriker Benedikt Wallner erwartete uns schon dort und berichtete den Schüler:innen über das jüdische Leben in Neunkirchen, das Judentum und auch historische Fakten zu diesem Friedhof.
Danach wurde uns auch Eintritt gewährt und wir konnten einiges über die Menschen, die hier begraben sind, sowie über die Symbole auf den Grabsteinen und die Inschriften erfahren.
Viele der Fragen, die Herr Wallner den Schüler:innen stellte, konnten sogar von ihnen beantwortet werden und vor allem die 7. Klasse staunte nicht schlecht, da sich ein Bursch aus der 4. Klasse mit besonderem Wissen hervortat.
Nach dem Lehrausgang meldeten sich zwei Schülerinnen aus der 7. Klasse um Beiträge für das DHM zu erstellen, und es passierte genau das, was ich mir erhofft hatte. Es blieb nicht bei dem Lehrausgang, sondern es wurde weiter darüber gesprochen. Die Schüler:innen der 7. Klasse tauschten sich mit denen der 4. Klasse aus und sprachen über ihre Eindrücke zu dem Besuch des Friedhofs. Aus pädagogischer Sicht finde ich es besonders schön, dass sich Schüler:innen verschiedener Jahrgänge auch außerhalb des Unterrichts mit dem behandelten Thema auseinandersetzen und darüber sprechen.
ERINNERN IST WIE EIN SAMENKORN, DAS GEGOSSEN WIRD
von Petra Mühlmann-Hatzl
15. März 2024
So soll sich das Auseinandersetzen zum Thema Holocaust im schulischen Kontext anfühlen.
Im Kunstunterricht kann durch prozessorientiertes und fächerübergreifendes Arbeiten ein Band in die Vergangenheit geknüpft und gleichsam ein stets wachsendes Netz in die Zukunft gespannt werden.
Ich bin daher sehr für diese Gelegenheit dankbar, dass ich gemeinsam mit den Schüler:innen der 4C des BG/BRG Neunkirchen an dem Projekt Digital Holocaust Memorial arbeiten konnte.
Es hat gezeigt, dass die Auseinandersetzung auf unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung die Schüler:innen das Thema intensiv erfahren ließ. So hatten auch sie das Gefühl „etwas tun“ zu können.
Die Wichtigkeit des Erinnerns gerade jetzt wieder oder immer noch weiterzutragen konnte somit durch die Schüler:innen selbst nachhaltig umgesetzt werden.
Bericht aus dem Werkunterricht:
Zum Zeitpunkt der Einführung in das Thema hatten die Schüler:innen noch keine bis wenig Informationen darüber erhalten und konnten auch mit den Begrifflichkeiten noch nicht viel anfangen. Ich habe mich entschlossen mich auf wenige Fakten zu begrenzen, um auch dem Geschichtsunterricht nicht zu viel vorwegzunehmen. Mit einem Vergleich aus der Gegenwart habe ich die Schüler:innen auf eine Gefühlsreise geschickt: „Stellt euch vor, ihr müsstet von heute auf morgen aus eurer Wohnung raus … Ihr werdet von dort brutal vertrieben… Niemand möchte euch aufnehmen…“. Es war schnell klar, dass dies kein Zustand ist, der angenehm sein kann. Dennoch hatten die Kinder immer noch die Gewissheit im Geheimen, dass diese Gefühlsreise ein Ende nahm, denn man könne ja bestimmt wieder zurück nach Hause kommen. Bei dem zweiten Teil der Reise, als ihnen klar wurde, dass es kein Zurück mehr geben würde, konnte man die Betroffenheit und die Traurigkeit im Klassenraum spüren. Es war ganz still. Doch dann begonnen die Schüler:innen von selbst nach Papier und Stift zu fragen und die ersten Skizzen waren im Entstehen.
Dabei war den Schüler:innen eines besonders wichtig: Die Besucher:innen sollten sich so wohl wie nur möglich fühlen. Sie sollten informiert werden, aber vor allem sollten sie sich wohlfühlen. Daraus entstanden auch sehr kindliche Ansichten und Ideen – z.B. wollte ein Schüler eine Rutsche einbauen. Da er das als glückliche Abwechslung empfand wollte er, dass auch Betroffene wieder etwas Spaß haben können.
Ich persönlich empfand diese Idee besonders rührend, dennoch entschieden wir uns dann dagegen aus Sorge es könnte missverstanden werden.
Während der Umsetzung wurden einige Baupläne nachjustiert oder gar komplett neu erdacht. Dies erfolgte aus unterschiedlichen Gründen: technische Machbarkeit, fehlende Profi-Werkzeugausstattung, aber eben auch Unwissenheit durch mangelnden Bezug an die damalige Zeit und das Thema an sich.
Doch gerade diese Momente haben durch viele Aha-Erlebnisse den Kindern das Thema näherbringen können.
Ich freue mich sehr auf die Schlusspräsentation in der Schule und die gemeinsame Ausstellung mit den Projekten der anderen Klassen und Kolleg:innen.
Petra Mühlmann-Hatzl
BG/BRG Neunkirchen, Jänner 2024
Österreich und seine Vergangenheit
von Andreas Schuster
24. Februar 2024
Die Klasse 4C hat sich mit mir im Unterricht mit der Frage auseinandergesetzt, wie Geschichte in Österreich erinnert wird und vor allem die Frage untersucht, wie Österreich mit seiner NS-Vergangenheit umgeht.
Wir hatten bereits im Unterricht gemeinsam neue Formen von Erinnerungskultur entwickelt und besprochen, und danach analysiert, wie sich Erinnerungskultur ändert. Die Schülerinnen und Schüler recherchierten, was die "Opfertheorie" ist und welchen Einfluss der Fall Waldheim auf die Meinung der Gesellschaft hatte. Im Unterricht wurde weiters erarbeitet welche Veränderungen es schließlich in den 1990ern gab, als der damalige Bundeskanzler Vranitzky offiziell über die Mitverantwortung Österreichs sprach.
Danach arbeiteten die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen und analysierten den Gedenkstein mit Inschrift am Mexikoplatz und die temporäre Zusatzinstallation. Eine weitere Gruppe beschäftigte sich mit dem Befreiungsdenkmal in Graz und stellten ungläubig fest, dass mit "Befreiung" nicht die Befreiung vom Nationalsozialismus gemeint war. Sie entschieden sich danach das Bild mit der Zusatzinstallation "ÖDUOPFER" mit hochzuladen. Diese Installation auf dem Denkmal selbst, spielte auf die Opfertheorie an. Schließlich beschäftigte sich eine letzte Gruppe mit Denkmälern in unserer Region und stellten sich die Fragen, warum beinahe jeder noch so kleine Ort ein Kriegerdenkmal hat? - Jedoch nur wenige Orte den Opfern und Verfolgten des Nationalsozialismus gedenken..
Class 4C dealt with the question of how history is remembered in Austria in History class and, above all, examined the question of how Austria deals with its Nazi past.
We had already developed and discussed new forms of remembrance culture together in class, and then analysed how the culture of remembrance is changing. The students researched what the "victim theory" is and what influence the Waldheim case had on society's opinion. In the classroom, the changes that finally took place in the 1990s were worked out, when the then Chancellor Vranitzky officially spoke about Austria's co-responsibility.
Afterwards, the students worked in small groups and analysed the memorial stone with inscription on Mexikoplatz and the temporary additional installation. Another group dealt with the Liberation Monument in Graz and discovered in disbelief that "liberation" did not mean liberation from National Socialism. They then decided to upload the picture with the additional installation "ÖDUOPFER". This installation on the monument itself alluded to the victim theory. Finally, a last group dealt with monuments in our region and asked themselves why almost every town, no matter how small, has a war memorial? - However, only a few places commemorate the victims and the persecuted of National Socialism.
Erinnern bedeutet für die 6B...
von Lukas Gruber
14. Februar 2024
Für die 6B Klasse bedeutet Erinnern, aus der Geschichte zu lernen, (sprachliche) Vielfalt wertzuschätzen und sich im Deutschunterricht mit Literatur von Autorinnen und Autoren mit Flucht- oder Verfolgungserfahrung zu beschäftigen (Zweig, Brecht).
Wie die Erkenntnisse aus dieser Beschäftigung von jedem/r Einzelnen genutzt werden, um Geschichte und Gegenwart zu verbinden und daraus zu lernen, davon handeln die vorliegenden Einträge, in denen auch unsere Mehrsprachigkeit zum Ausdruck kommen soll.
Die lokale jüdische Gemeinde/The local Jewish community
von Andreas Schuster
20. Januar 2024
Im Geschichteunterricht habe ich mich mit meiner Klasse (7a) mit den Spuren jüdischen Lebens in Neunkirchen beschäftigt. Nachdem wir uns im Unterricht mit den verschiedenen Formen von Faschismus in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in Italien, Portugal, Spanien, Deutschland und Österreich auseinandergesetzt haben und über die Verfolgung verschiedener Gruppen gesprochen haben, war ein weiterer Schritt auf lokaler Ebene nach Verfolgten zu suchen.
Als Schule in Neunkirchen war es interessant nach Spuren der Verfolgten, Vertriebenen und Ermordeten hier in Neunkirchen zu suchen.
Offensichtliche Spuren jüdischen Lebens in Neunkirchen gibt es. Es gibt einen alten jüdischen Friedhof, Ruinen der alten Synagoge und Stolpersteine, um die evidentesten zu nennen. Sie alle zeigen, dass es hier bei uns in dieser Kleinstadt im Süden Niederösterreichs jüdisches Leben gab. Vor allem die Ruine der Synagoge und die Stolpersteine zeigen aber auch, dass das Leben der jüdischen Gemeinde aber mit dem Jahr 1938 ein abruptes Ende gefunden hat.
Heute lebt die Erinnerung daran in Form einer Gedenktafel am Standort der ehemaligen Synagoge und mit Hilfe der Stolpersteine. Wir stellen uns aber die Frage, wie viele Menschen achtlos an der Gedenktafel vorbeigehen und wie viele Menschen gedankenlos und in ihr Smartphone vertieft über die Stolpersteine schreiten?!
In history class, my class (7a) and I dealt with the traces of Jewish life in Neunkirchen. After dealing with the different forms of fascism in the period after World War I in Italy, Portugal, Spain, Germany and Austria and talking about the persecution of different groups, the next step was to look for persecuted people at a local level.
As a school in Neunkirchen, it was interesting to look for traces of the persecuted, expelled and murdered here in Neunkirchen.
There are obvious traces of Jewish life in Neunkirchen. There is an old Jewish cemetery, ruins of the old synagogue and stumbling blocks, to name the most evident. They all show that there was Jewish life here in this small town in the south of Lower Austria. Above all, however, the ruins of the synagogue and the stumbling stones also show that the life of the Jewish community ended abruptly in 1938.
Today, the memory lives on in the form of a commemorative plaque on the site of the former synagogue and with the help of the Stolpersteine (stumbling blocks). But we ask ourselves how many people carelessly walk past the memorial plaque and how many people walk thoughtlessly and focused on their smartphones over the Stolpersteine?!
Neue Formen der Erinnerungskultur
von Andreas Schuster
20. Dezember 2023
Den Holocaust nicht vergessen - neue Formen der Erinnerungskultur entdecken - gemeinsam im Unterricht.
In diesem Sinn begann sich die 4C Klasse mit dem Thema auseinanderzusetzen. Nach theoretischem Input im Unterricht und der Vorstellung des Digital Holocaust Memorial Projekts, sprudelten die Schüler:innen vor Ideen; einige davon finden sich jetzt hier im Memorial und weitere Beiträge und Kommentare folgen.
Für mich als Lehrperson im Fach Geschichte und politische Bildung waren die zum Teil unkonventionellen Ideen der Schüler:innen eine neue und wichtige Erfahrung: ein Gedicht, eine Umfrage als Kurzvideo, ein Minecraft Denkmal, gemeinsames Kochen israelischer/jüdischer Rezepte,...
Ich bin von den Ideen der Schüler:innen ergriffen und gleichzeitig begeistert wie sehr sie sich mit dem Thema auseinandersetzten. Diese Intensität der Auseinandersetzung ist für mich positiv und neu. Und wie sich die Schüler:innen mit dem Thema auseinandersetzen ist vielleicht ungewohnt, aber vielleicht muss die Zukunft des Erinnerns eben beginnen alte, konventionelle Formen zu überwinden.
9. Dezember: Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer von Genoziden
von Lukas Gruber
11. Dezember 2023
In einigen der Beiträge unserer Schüler:innen wird Bezug auf das Datum 9. Dezember genommen. Bei diesem Tag handelt es sich um den von der UNO ausgerufenen United Nations International Day of Commemoration and Dignity of the Victims of the Crime of Genocide and of the Prevention of this Crime, also den Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer von Genoziden und zur Genozid-Prävention.